Tierwohl in der Milchproduktion
Organisationen erstellen Gutachten mit klaren Mindestkriterien für mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht
Die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht bietet gegenüber der konventionellen Tierhaltung deutliche Vorteile für das Tierwohl und die Gesundheit der Kälber. Doch fehlende rechtliche Definitionen führen zu Wettbewerbsnachteilen in der Landwirtschaft und zu Irreführung der Konsumierenden. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat deshalb, in Zusammenarbeit mit dem Verein Cowpassion, der Fachstelle MuKa und der globalen Tierschutzorganisation VIER PFOTEN, ein Gutachten mit klaren Mindestkriterien für die Haltungsform der mutter- und ammengebundenen Kälberaufzucht erstellt. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, echte Tierwohlleistungen zu fördern und irreführende Praktiken zu verhindern.
Die Trennung von Mutterkuh und Kalb nach der Geburt ist gängige Praxis in der Milchproduktion, um die für das Kalb bestimmte Milch für den menschlichen Konsum zu nutzen. Alternativ ermöglichen mutter- und ammengebundene Kälberaufzuchtsysteme eine naturnähere Haltung und bieten deutliche Vorteile für das Tierwohl. Zudem zeigen Forschungsergebnisse, dass die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht positive Effekte auf die Tiergesundheit hat, woraus letztlich auch ein geringerer Antibiotikaverbrauch resultiert. Trotz dieser Vorteile fehlt bislang eine klare rechtliche Definition dieser Systeme, was zu Unsicherheiten für praktizierende Betriebe und zu Täuschungsgefahr auf dem Markt führt.
Der Detailhandel reagiert zwar zunehmend auf das steigende Interesse seiner Kundschaft an einer tierfreundlicheren Milchproduktion. Allerdings wird der Begriff «mutter- oder ammengebundene Aufzucht» zur Anpreisung von Milchprodukten teils auch für Produktionssysteme verwendet, bei denen Kälber nur wenige Tage oder mit stark eingeschränktem Kontakt zur Mutter gehalten oder in einem besonders ungünstigen Moment vom Muttertier getrennt werden. Derartige Praktiken können sogar zusätzliches Tierleid verursachen sowie einen erhöhten Antibiotikaeinsatz erfordern. Sie entsprechen somit nicht den Erwartungen der Konsumierenden und täuschen über das tatsächliche Tierwohlniveau hinweg.
Demgegenüber ist die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht mit deutlichen Einkommenseinbussen für die entsprechenden Betriebe verbunden, weshalb ihre Milch zwangsläufig mit höheren Kosten verbunden ist. Die aktuelle Unschärfe zwischen tatsächlichen Tierwohlleistungen und lediglich minimalen Kuh-Kalb-Haltungen ist für konsequent tierfreundlich produzierende Betriebe existenzbedrohend. Irreführende Angaben untergraben das Vertrauen der Konsumierenden und stellen ein erhebliches Risiko für unlauteren Wettbewerb dar.
Transparenz statt Wettbewerbsverzerrung
Eine gesetzliche Definition ist daher zwingend erforderlich, um echte Tierwohlleistungen von unzureichenden Ansätzen abzugrenzen, Transparenz zu schaffen und Wettbewerbsnachteile zu verhindern.
Die TIR, der Verein Cowpassion, die Fachstelle MuKa und VIER PFOTEN setzen sich deshalb dafür ein, klare, gesetzlich verankerte Standards für die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht zu schaffen und eine verantwortungsbewusstere Entwicklung der Milchproduktion zu fördern.
Klare Kriterien
Wesentliche Aspekte sind für die Organisationen eine Mindestsäugezeit von drei Monaten für alle Kälber, uneingeschränkter Kontakt zwischen Kuh und Kalb während dieser Zeit sowie die direkte Milchaufnahme am Euter ohne Zufütterung via Eimer. Darüber hinaus soll eine schrittweise Trennung frühestens ab der 13. Lebenswoche beginnen, wobei sowohl für Kühe als auch für Kälber Rückzugsräume geschaffen werden müssen. Auch die Anzahl der Kälber pro Amme soll klar definiert werden, um eine optimale Betreuung und Versorgung der Jungtiere zu gewährleisten und die Kühe nicht zu überfordern.
Eine präzise Begriffsdefinition soll sicherstellen, dass die tierfreundliche mutter- bzw. ammengebundene Kälberaufzucht nicht mit weniger strengen Haltungsformen verwechselt wird. Die Organisationen setzen sich für eine rechtlich verbindliche Regelung zugunsten des Tierwohls, der Gesundheit von Mensch und Tier sowie des Konsumentenschutzes ein.

Oliver Loga
Press Manager+41 43 883 72 51
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Altstetterstrasse 124, 8048 Zürich
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VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freunden in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Grosskatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemässer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen. Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, im Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA, Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen. In der Schweiz ist die Tierschutzstiftung ein Kooperationspartner vom Arosa Bärenland, dem ersten Bärenschutzzentrum, welches geretteten Bären aus schlechten Haltungsbedingungen ein artgemässes Zuhause gibt.