Bär Napa

«Endlich bin ich raus aus diesem kleinen Käfig»

Die Geschichte vom ehemaligen Zirkusbär Napa, wie er von einem kleinen Käfig in eine über 2,8 Hektar grosse Naturlandschaft kam.

«Seit ich auf der Welt bin, kannte ich nichts anderes als Gitterstäbe und Betonböden. Meine Käfige waren immer sehr klein, Auslauf hatte ich fast keinen. Ich lebte mal in einem Zoo, mal acht Jahre in einem winzigen Käfig, der knapp etwas grösser war als ich selbst. Dies war auf einem Hinterhof, wo der Zirkus mich und die anderen Tiere abgestellt hatte. Es war kein Spass: immer eingesperrt zu sein, sich nicht wirklich bewegen zu können, zu rennen oder die Gegend zu erkunden. Meine Welt war jahrelang auf einen kleinen Käfig begrenzt, in dem ich mich nicht aufrichten oder gerade drehen konnte. «Mein Zuhause» war immer dreckig und es lag Müll herum. Ich war Wind und Regen schutzlos ausgeliefert und konnte mich nirgendwo zurückziehen. Zudem fühlte ich mich schwach und überhaupt nicht stark, wie man sich das als Bär eigentlich sollte. 

«Meine Welt war jahrelang auf einen kleinen Käfig begrenzt, in dem ich mich nicht aufrichten oder gerade drehen konnte.»

Bär Napa

Doch dann fiel mir auf, dass immer öfters fremde Menschen um meinen Käfig gingen und irgendwann stand eine ganze Gruppe vor mir. Ich spüre einen kleinen Stich und werde müde. Als ich wiedererwache, bin ich in einem anderen Käfig. Ich werde darin herumgetragen und in ein Auto geladen. Dann wird es für eine längere Zeit dunkel um mich herum und es scheint, als würde sich der Boden bewegen. Irgendwann gibt’s einen Ruck und es wird wieder hell. Menschen sind da und verladen meinen Käfig erneut. Dann geht er auf und ich kann raus. Der Boden ist immer noch hart und aus Stein. Aber ich habe etwas mehr Platz, kann mich bewegen und sogar baden. Zum ersten Mal kümmern sich Menschen um mich, hier in diesem serbischen Zoo in Palic. Dort leb ich über ein Jahr lang.

Dann irgendwann, stehen wieder so viele Menschen draussen herum, schauen mich an. Dann spüre ich wieder diesen Stich und schlafe ein. Als ich zu mir komme, befinde ich mich wieder in einer kleinen Box. Ich habe Angst, dass ich wieder in meinem alten «Zuhause» bin und wieder keinen Platz habe, mich zu bewegen. Ich spüre, dass wir uns bewegen, es ruckelt ganz leicht. Wir sind viele Stunden unterwegs, ich habe keine Ahnung, wohin die Reise geht. Dann irgendwann wird es wieder hell, ich werde geblendet von der Sonne. Menschen fahren mich in meinem Käfig raus und ich werde in eine schwebende Box gebracht. Es fühlt sich an, als würde ich fliegen. Dann werde ich wieder herum geschoben. Und irgendwann öffnet sich die Klappe vor mir. Ich weiss zuerst nicht, ob ich mich traue, raus zu gehen. Irgendwann wage ich den ersten Schritt, verlasse die schützenden Wände der Box und stehe dann in einem grossen Raum. Es gibt überall Äste, Baumstämme und Essen am Boden. Ich beginne alles zu entdecken und probiere alle Leckereien aus. Ich habe grossen Hunger. 

Eines Morgens, ich habe mich bereits an die Umgebung hier gewöhnt und auch die Menschen, die ab und zu vorbeischauen, scheinen nett zu sein, öffnet sich eine neue Türe. Diesmal zögere ich nicht, sondern nehme meinen ganzen Mut zusammen und trete nach draussen. Ich spüre zum ersten Mal etwas Weiches, Grünes unter meinen Tatzen, es hat grosse Stämme mit unzähligen grünen Nadeln daran, ich atme die frische Luft ein und spüre die Sonne auf meinem Fell. Ich erkunde neugierig die Umgebung, streife durch die reizvolle Natur, beschnuppere alles. Hier gibt es sogar Teiche, in denen ich baden kann, um mich abzukühlen. Hier gefällt es mir!

So geniesse ich mein Leben, esse und schlafe, entdecke und relaxe. Manchmal kommen Menschen und schauen mir dabei zu. Die stören mich aber nicht. Dann kommt der Herbst, und schliesslich der Winter. Es wird kalt, es hat viel Schnee, aber das macht mir nichts aus. Ich verkrieche mich in meine warme Box und mache es mir mit Ästen, Laub und Moos gemütlich. Ich fühle mich jetzt sicherer, schlafe mehr und länger. Zwischendurch erwache ich immer wieder mal, stehe auf und bewege mich ein wenig, und lege mich gleich wieder hin.

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Doch dann ist es plötzlich vorbei mit der Ruhe. Ich staune nicht schlecht, als ich plötzlich den Geruch von anderen Bären wahrnehme hier in den Stallungen.  Wer sind die? Und was wollen die hier? Am anderen Morgen kann ich sie endlich auch sehen. Aus genügender Distanz und mit einem Gitter dazwischen lernen wir uns langsam kennen. Irgendwann habe ich mich damit abgefunden, dass wir jetzt zu Dritt hier sind und ich lege mich wieder zur Ruhe. Aber ich markiere jeden Morgen meinen Gehegeteil, in dem ich an den Baumstämmen mein Fell reibe. Die müssen nicht meinen!

Im Sommer darauf ist es dann soweit und ich begegne beiden Bären in der grossen Aussenanlage. Zum charmanten Weibchen fand ich sogleich einen guten Draht. Mit dem etwas widerwilligen Männchen war es etwas mühsamer. Aber jetzt verstehe ich mich mit beiden gut und es ist schön, mit ihnen die grossräumige Naturlandschaft zu teilen.» 

Update November 2020

Im Juni dieses Jahres wurde bei Napa Epilepsie diagnostiziert. Trotz medikamentöser Behandlung und liebevoller Pflege, und obwohl er sich zwischenzeitlich etwas zu erholen schien, war seine Lebensqualität deutlich eingeschränkt und die Prognosen für eine langfristige Besserung sahen nicht gut aus. Die Analyse der verantwortlichen Tierärzte und der betreuenden TierpflegerInnen ergab, dass Napa zu leiden hatte und weitere Behandlungen mit geringsten Chancen auf Erfolg beschieden seien. So wurde schweren Herzens entschieden, ihn am 4. November 2020 von seinem Leiden zu erlösen. Leider konnte Napa sein schönes, neues Zuhause insgesamt nur 2,5 Jahre geniessen. Wir hätten ihm gewünscht, dass er noch viele weitere Jahre in den Bündner Bergen verbringen kann. Napa wird immer in unseren Herzen sein und ein Symbol bleiben, für alle Tiere, denen wir helfen dürfen!

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