Arosa Bärenland und VIER PFOTEN: Bärenstarke Winterruhe

Arosa Bärenland und VIER PFOTEN: Bärenstarke Winterruhe

Die erstaunliche Strategie von Braunbären in der kalten Jahreszeit

9.3.2023

Zürich/Arosa, 09. März 2023 – Die Schnauze tief in Amelias dichtem Winterfell vergraben, verschläft Meimo den Winter im Arosa Bärenland. Zwischen November und Dezember begeben sich Braunbären in die Winterruhe, so auch im Schweizer Bärenschutzzentrum in den Bündner Bergen. Die von der globalen Tierschutzorganisation VIER PFOTEN geretteten Bären entwickeln sich prächtig und ruhen bereits seit mehreren Wochen im Arosa Bärenland.

Alle vier bärigen Bewohner im Arosa Bärenland ruhen in der Innenanlage. 2022 begann Amelia, die Höhle in Stall 4 mit Holzschnitzeln und Langstroh wärmedämmend und weich auszupolstern. Als Mitte Dezember alles eingerichtet war, legte sich Meimo zu Amelia in das von ihr gemachte Nest. Ein aussergewöhnliches Verhalten, da Bären als Einzelgänger normalerweise allein Winterruhe machen. Amelia und Meimo sind ehemalige Restaurantbären und wurden über Jahre in einem kleinen Gitter-Betonkäfig gehalten, ehe sie von VIER PFOTEN gerettet wurden. In dieser von Menschenhand geschaffenen Lebenssituation bildete sich eine überaus enge soziale Bindung. Sie konnten vor ihrer Ankunft im Arosa Bärenland keine Winterruhe halten, doch das Bündner Bärenschutzzentrum bietet die nötigen Voraussetzungen, damit die Bären diesen natürlichen Instinkt ausleben können.

Oftmals graben Bären auch eine Höhle, die sie zum Teil über mehrere Jahre hinweg benutzen. Auch auf natürliche Höhlen oder Felsspalten greifen die Bären gern zurück, wenn es um ein gemütliches Winterquartier geht. Vor dem Winter polstern sie das Ruhelager gemütlich mit Gras, Laub, Farnen, Moos und Flechten aus. So lässt es sich bequem dösen.

Die Annahme, nur die Kälte würde die Braunbären in ihre Höhlen treiben, ist nicht korrekt. Im Vergleich zu uns Menschen ist der Bär gegen Minusgrade, Schnee und Frost relativ unempfindlich. Die Winterruhe dient einem anderen Zweck: Die Tiere überbrücken damit eine Jahreszeit, in der sie nur wenig Nahrung finden können. Während der Winterruhe verlieren Braunbären viel Gewicht – etwa ein Drittel dessen, was sie normalerweise im Spätherbst auf die Waage bringen.

Bevor Bären Winterruhe halten, müssen sie sich daher eine ordentliche Fettschicht anfressen. Im Herbst gibt es ein üppiges Angebot an Nahrung: fett- und zuckerhaltige Früchte, wie Nüsse, Bucheckern, Samen oder Beeren. Im Winter ermöglicht es ihm die zugelegte Fettschicht, bis zu drei Monate lang ohne Nahrung zu überleben. Dafür muss er seinen Energieverbrauch jedoch minimieren. Und genau dafür ist das Ruhen eine wichtige Voraussetzung. 

 

Amelia und Meimo

Ganz in Ruhe
Die Winterruhe der Braunbären ist nicht zu vergleichen mit einem tiefen Winterschlaf, wie ihn zum Beispiel Igel oder Murmeltiere halten. Bei Braunbären sinkt die Körpertemperatur von 37.5 Grad im Sommer auf 34 Grad während der Winterruhe. Die Herzfrequenz verringert sich von 90 auf 20 Herzschläge pro Minute. Bären verlangsamen zwar ihre Herz- und Atemfrequenz, sind aber leicht aufzuwecken. Einen feindlichen Angriff können sie auch in der Winterruhe abwehren. Ein Murmeltier reduziert seine Stoffwechselrate im Winterschlaf auf ein Zehntel. Pro Minute atmet es nur ein- bis zweimal und sein Herz schlägt höchstens fünfmal. Die Körpertemperatur sinkt auf gerade einmal drei Grad. Ein Bär fährt dagegen Kreislauf, Atmung und Herzschlag nur so weit herunter, dass er jederzeit seine Höhle verteidigen kann. Würde er seinen mehrere hundert Kilo schweren Körper auf drei Grad absenken, käme er ohne fremde Energie nie mehr «auf Touren».

Die genaue Bewerkstelligung seines Energiehaushaltes, die Gestaltung der Temperaturkurven oder seine eingeschränkte Nierenfunktion – all das ist nach wie vor weitestgehend ein Geheimnis.

Wissenschaftlich auch nicht genau untersucht sind die Atemfrequenzen. 

«Da wir im Arosa Bärenland in den vorgefertigten Winterhöhlen Videokameras installiert haben, konnten wir bei geeigneter Liegeposition der Bären die Atemzüge während der Winterruhe genau zählen. Bei Amelia und Meimo waren es während mehrstündigen Ruhephasen in der Höhle jeweils 3-4 Atemzüge pro Minute.»

Hans Schmid, wissenschaftlicher Leiter vom Arosa Bärenland

Zum Vergleich: Ein erwachsener Mensch im Ruhezustand macht 12-18 Atemzüge pro Minute. 

Für die Humanmedizin sind diese Fragen aber von grossem Interesse. Ein Bär liegt wochenlang unverändert, ohne dass seine Haut dabei wund wird. Auch baut er in dieser Zeit weder Knochen- noch Muskelmasse ab. Zu wissen, wie er all dies bewerkstelligt, könnte gerade für die Geriatrie ein wichtiger Erkenntnisgewinn sein. 

Jeder Bär ist anders
Viele Fragen drehen sich um die Winterruhe von Bären: Wie lange ruhen sie, wie viel Grad kühlen sie dabei ab, wie viel Kilogramm nehmen sie davor zu? Die einzig richtige Antwort auf all diese Fragen lautet: Das kommt darauf an! Bären sind ausserordentliche Individualisten. Das heisst, dass sich kein Bär wie der andere verhält. Die Lebensweisen von Bären können sich durchaus voneinander unterscheiden, und auch jeder Winter ist anders.

Genauso gibt es keine festen Anfangs- und Endtermine der Bären-Winterruhe. Ein Bär kann kurzfristige Wärmeperioden nutzen, um etwa im frostfreien Waldboden nach Fressbarem zu suchen, und verschwindet dann bei neuerlichem Wintereinbruch wieder in der Höhle und legt sich zur Ruhe.

Chantal Häberling

Chantal Häberling

Press Officer

chantal.haeberling@vier-pfoten.org

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VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
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VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler und Freunden in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen. Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen Streunerhunde und -katzen sowie Heim-, Nutz- und Wildtiere – wie Bären, Grosskatzen und Orang-Utans – aus nicht artgemässer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfliktzonen. Mit Büros in Australien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kosovo, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in elf Ländern sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen.

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