Muttertiere im Rescue Centre von Herkules Bullyrettung

Gerettet, gepflegt, geliebt: Die Herkules Bullyrettung schenkt Hoffnung

Im Interview mit VIER PFOTEN spricht Claudia Harth von der Herkules Bullyrettung über ihren Alltag

2.6.2025

Hinter süssen Welpenfotos verbirgt sich oft grosses Leid. Die «Herkules Bullyrettung» setzt sich seit 2018 für Hunde ein, die aus Vermehrerstationen gerettet werden – besonders für Qualzuchtopfer wie Französische Bulldoggen. Der Verein steht für Aufklärung, Transparenz und echte Tierliebe. 

Im Interview erzählt ein engagiertes Teammitglied, wie diese wichtige Arbeit aussieht.

VIER PFOTEN: Wie kam es 2018 zur Gründung des Vereins «Herkules Bullyrettung»?

Claudia Harth: Der Verein wurde in Deutschland von Nina Reger in Gedenken an ihren wundervollen Begleiter Herkules gegründet. Die Französische Bulldogge trat in einer schwierigen Phase in das Leben von Nina und wurde durch ihre bedingungslose Liebe zum wichtigsten Begleiter für sie. Herkules ist deshalb der Schutzpatron aller geretteten und noch wartenden Bullyseelen. Durch ihn bekommen die Tiere eine Stimme und eine zweite Chance.

Was unterscheidet die «Herkules Bullyrettung» von anderen Hunderettungsorganisationen?

Wir retten gezielt Vermehrerhunde/Qualzuchtopfer, was nicht sehr viele Vereine machen. Was laut unserer Community sehr an uns geschätzt wird und uns massgeblich von anderen unterscheidet, sind: die Transparenz, die Aufklärung über die Rasse und die gesundheitlichen Probleme/Themen, die der einzelne Hund mitbringt, der Bewerbungsablauf, der Respekt untereinander, die schnellen Antworten, die ständige Erreichbarkeit, der Zusammenhalt untereinander, die Herkules-Gruppe auf Facebook und der gemeinsame Austausch. Zudem wird auch unser Transporteur «Happy Doxx» gelobt und die fürsorgliche Überbringung der Hunde an ihre neuen Familien. Bei uns merken viele, dass es um jeden einzelnen Hund geht. Ein Slogan von uns heisst: Herkules Bullyrettung ist nicht nur Tierschutz – Herkules ist Familie. So wird es bei uns auch gelebt.

Was ist Ihre Rolle für den Verein und für die Schweiz?

Begonnen habe ich vor 3 Jahren ganz simpel mit den Texten und Inseraten der Hunde auf der Homepage. Durch Fleiss und Leidenschaft konnte ich meine Position ausbauen und habe viele neue Bereiche für Herkules erschlossen. Ich habe die Herkules-Merchandise-Produkte entworfen und koordiniere deren Verkauf. Ich pflege und betreue die Website mit all ihren Aufgaben wie Hundeinserate, Amazon-Wunschliste, News etc. Ich bin für alle Pflegestellen/Pflegehunde Ansprechpartnerin bezüglich Unterstützung und kommende Vermittlung (Deutschland/Schweiz). Ich koordiniere mit meinem ehrenamtlichen Team in der Schweiz die Platzkontrollen für Herkules und vermittle ggf. auch bei Bedarf/Engpässen Hunde in die Schweiz. Ansonsten bin ich zuständig für unsere Facebook-Präsenz. Zudem habe ich 2024 das erste Herkules-Bully-Treffen in der Schweiz organisiert. Das 2025 Treffen hat erst kürzlich wieder erfolgreich stattgefunden. Es ist ein tolles Event zu Informationszwecken, für die Schweizer Community und für alle, die Spass und Freude an den Bullys haben.

Wie sieht das Leben der Elterntiere in den «Welpenfabriken» aus?

Das Leben der Elterntiere sieht einfach nur grausam aus. Für die lokale Bevölkerung mit sonst geringem Einkommen ein lukratives Geschäft. Durch die offenen Grenzen ist es für die Welpenhändler ein Leichtes, tagtäglich Massen von viel zu kleinen Welpen über die europäischen Grenzen zu schmuggeln. Verkauft wird direkt aus dem Kofferraum, in extra dafür angemieteten Wohnungen, auf Märkten oder auch durch Weitergabe an weitere Hundehändler. Eine Hündin hat oft mehrere Würfe im Jahr, bedingt durch hormonelle «Aufputschspritzen» werden sie im Schnitt ca. 4-5x im Jahr läufig und wenn es klappt, bei jeder Läufigkeit belegt. Dementsprechend sind die Hündinnen oft bereits mit 3-5 Jahren «verbraucht» und nehmen nicht mehr auf, bzw. liefern nur noch Totgeburten. Spätestens dann ist der Zeitpunkt, an dem sich der Vermehrer dieser Tiere entledigen möchte. Die Rüden sind nur «Mittel zum Zweck» und «pflegeleicht». Sie werden in kleine und enge Käfige eingepfercht und erhalten das «Minimum» an Nahrung und Pflege. Dies führt oft zu Fehlstellungen der Beine aufgrund der viel zu kleinen Lebensräume. Vermehrer kümmern sich nicht um den konkreten Gesundheitszustand der Tiere. So kommen viele Hunde mit völlig zugewucherten und entzündeten Gehörgängen zu uns. Die Hunde leiden unendliche Schmerzen, nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Es ist unfassbar und völlig abgebrüht, sich an liebevollen und reinen Tierseelen zu vergehen. Es braucht Gesetze und Konsequenzen. Es ist völlig unvertretbar, einfach wegzuschauen. Jedes Land darf eigene Richtlinien zum Thema Tierschutz machen. Es ist ein vollumfängliches Problem weltweit. Wir können aber nur im EU-Raum versuchen, Bewusstsein und Verbesserungen zu schaffen.

Auf welchem Weg kommen die Hunde zu Ihnen?

In Ungarn haben wir mittlerweile ein stabiles Netzwerk und wissen, wo Hunde in Not sind. Dieses Netzwerk umfasst viele unterschiedliche Kontakte, neutrale Personen und neutrale Treffpunkte. Vor allem, wenn es um Vermehrer geht, die regelmässig aussortieren, kennen wir weder die Namen noch die genauen Standorte dieser Vermehrerproduktionen. Wir bekommen die Hunde gebracht oder fahren zu einem neutralen Treffpunkt. Wir wissen nie, in welchem Zustand die Hunde ankommen. Wir kommen, laden sie ein und fahren wieder in unsere eigene Auffangstation, die Villa Herkules. Dort werden die Hunde dann das erste Mal richtig begutachtet und noch vor dem bevorstehenden Tierarztbesuch mit den Basisdaten in unsere Kartei aufgenommen.

Werden die Hunde auch freigekauft beim Vermehrer?

Wichtige Voraussetzung für uns ist, dass wir für die Übernahme von ausrangierten Vermehrerhunden KEINE Gebühr oder sonstige Leistung an den Vermehrer zahlen! Für uns macht es keinen Unterschied, wo der Hund herkommt, in welchem Gesundheitszustand er ist oder ob er alt oder jung ist - wir helfen dort, wo unsere Hilfe benötigt wird.

Unterstützen Sie mit Ihrem Tun nicht die Vermehrer, wenn Sie ihnen dauernd die «Altlasten» abnehmen?

Diese Frage kommt immer wieder. Ja, wir schaffen neuen Platz, und ebenso retten wir diese Tiere! Das ist der Mehrwert. Die Vermehrer schaffen den Platz so oder so. Entweder wir retten die Hunde oder sie sterben - dem Vermehrer ist das völlig egal. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, dass man diese Korruption nicht so einfach aufhalten kann. Wir sind wie ein Schmerzmittel - wir sind die Symptombekämpfung. Für die Ursachenbekämpfung braucht es doch deutlich mehr.

Zum Beispiel?

Adoption statt Kauf: Die Entscheidung, einen Hund aus dem Tierschutz zu adoptieren, kann nicht nur einem Tier ein neues Zuhause bieten, sondern auch dazu beitragen, den Kreislauf der Vermehrung zu durchbrechen. Viele Tierschutzorganisationen fördern diese Botschaft aktiv. Wenn mehr Menschen sich entscheiden, Hunde aus dem Tierschutz zu adoptieren, verringert sich die Nachfrage nach Hunden von Vermehrern und unseriösen Züchtern. Dies kann dazu führen, dass weniger Tiere gezüchtet werden, da die wirtschaftliche Motivation sinkt.

Der Tierschutz ist nicht nur die Aufgabe von Organisationen, sondern auch von der gesamten Gesellschaft. Jeder kann einen Beitrag leisten, sei es durch ehrenamtliche Arbeit, Spenden, Aufklärung oder einfach durch das Teilen von Informationen. Durch die Förderung der Adoption und die Aufklärung über die Probleme der Tiervermehrung wird ein Bewusstsein geschaffen, das über den einzelnen Tierheimhund hinausgeht. Es fördert ein Umdenken in der Gesellschaft hinsichtlich der Tierhaltung und der Verantwortung, die mit der Haltung eines Tieres einhergeht.

Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, sind politische Massnahmen und gesetzliche Regelungen notwendig, die eine verantwortungsvolle Tierhaltung fördern und Missstände im Tierschutz bekämpfen. Die Adoption aus dem Tierschutz fördert eine Kultur der Verantwortung, in der Menschen sich bewusst für ein Tier entscheiden und sich seiner Bedürfnisse und der Verantwortung für dessen Wohl bewusst sind.

Oft gibt es Vorurteile gegenüber Tierschutzhunden, wie z.B., dass sie schwieriger im Umgang sind. Durch positive Geschichten und Erfahrungen von adoptierten Tierschutzhunden wird gezeigt, dass diese Tiere genauso liebenswert und anpassungsfähig sind wie Hunde aus anderen Quellen.

Insgesamt zielt diese Strategie darauf ab, eine Veränderung im Umgang mit Tieren zu bewirken, die nicht nur einzelnen Tieren zugutekommt, sondern auch dazu beiträgt, die Probleme der Überpopulation und der schlechten Haltungsbedingungen langfristig anzugehen.

In welchem Zustand kommen die Hunde zu Ihnen?

Die Hunde kommen in unterschiedlichen Gesundheitszuständen zu uns, was zum Teil auch altersbedingt ist. Wir erhalten sehr junge Hunde (5-8 Monate) bis hin zu 8-10-jährigen Hunden, die meist völlig ausgebeutet und ausgemergelt ankommen.

In der Anfangszeit des Vereins kamen deutlich mehr gesunde Hunde an. 60 % gesund, 40 % erkrankt. Heute im Jahr 2025 hat sich das gewandelt, wir haben viele Hunde die ärztliche Behandlung und Versorgung benötigen. Wir sind auch ein Verein, der das finanzielle Budget genau dafür nutzt. Jeder Hund soll die gleichen Chancen bekommen. Wir tun alles dafür, dass die Fellnasen diese Chance bekommen.

Was bringen die Hunde für «Gepäck» mit (physisch und psychisch)?

Das Gepäck der Hunde ist so individuell wie auch ihr Alter und ihr allgemeiner Gesundheitszustand. Es gibt Hunde die völlig verängstigt und unterwürfig sind, sich sofort auf den Boden schmeissen und einfach nur hoffen, dass man ihnen nicht wehtut. Dann gibt es auch die komplett entgegengesetzten Charaktere. Selbstbewusst, offen, freundlich und einfach nur herzlich. Es ist unglaublich wie offen und liebeshungrig die meisten sind, obwohl sie so viel Schlechtes erfahren haben. Sie sind wahre Kämpfer und haben unseren grössten Respekt verdient.

Insgesamt ist der Urinstinkt eines Hundes gegenüber dem Menschen von einem tiefen Bedürfnis nach sozialer Interaktion, Schutz, Kommunikation und Zugehörigkeit geprägt. Diese Instinkte sind die Grundlage für die enge und vertrauensvolle Beziehung, die viele Menschen mit ihren Hunden teilen.

Was passiert mit den Hunden bei Ihnen, bis sie in ihr neues Zuhause ziehen können?

Bevor die Hunde in ihr bestes Zuhause ausreisen können, werden sie ärztlich untersucht. Sie erhalten grundsätzlich alle:

  • Kastration (dem Alter entsprechend, es werden keine Welpen kastriert!)
  • Impfungen (Tollwut und 2x die kombinierte Impfung)
  • Snap-Test auf Dirofilaria (Herz- und Lungenwürmer)
  • Entwurmung
  • Spot-On-Präparat gegen Flöhe und Zecken
  • EU-Pass und Chip
  • Futter

Je nach individuellem Gesundheitszustand besteht öfters die Notwendigkeit operativer Eingriffe wie:

  • Gehörgangsentfernung (Resektion)
  • Cherry Eye (Nickhautdrüsenvorfall)
  • Tumore
  • Patella (Kniescheibe)
  • Augen-Entfernung

Eher selten sind Herz-Operationen, Bandscheibenvorfälle oder komplexe Magen-Darm-Probleme.

Wieso werden alle Hunde von Ihnen kastriert?

Tierschutzhunde werden aus mehreren wichtigen Gründen grundsätzlich kastriert:

  • Verhinderung von Überpopulation: Kastration ist eine wirksame Methode zur Kontrolle der Tierpopulation. Durch die Kastration von Tierschutzhunden wird verhindert, dass ungewollte Würfe entstehen, was zur Reduzierung der Anzahl von Tieren in Tierheimen beiträgt.
  • Gesundheitliche Vorteile: Kastration kann gesundheitliche Vorteile für Hunde bieten, wie z.B. ein verringertes Risiko für bestimmte Erkrankungen, einschliesslich bestimmter Krebsarten und Infektionen, die mit dem Fortpflanzungssystem verbunden sind.
  • Verhaltensänderungen: Kastration kann gewisse Verhaltensprobleme reduzieren und die Integration des Hundes in ein neues Zuhause erleichtern.
  • Förderung verantwortungsvoller Tierhaltung: Die Kastration von Tierschutzhunden ist ein Teil der Bemühungen, verantwortungsvolle Tierhaltung zu fördern. Es hilft den neuen Besitzern, sich bewusst zu machen, dass sie Verantwortung für das Wohlergehen ihres Tieres tragen.
  • Reduzierung des Risikos von Missbrauch: Durch die Kastration wird das Risiko verringert, dass Hunde für unethische Zuchtpraktiken oder als «Vermehrertier» missbraucht werden.

Insgesamt ist die Kastration von Tierschutzhunden eine präventive Massnahme, die sowohl den Tieren selbst als auch der Gesellschaft zugutekommt, indem sie das Problem der Überpopulation und der damit verbundenen Herausforderungen angeht.

Claudia Harth mit ihrem Hund Charly

Claudia Harth mit Hund Charly

Vielen Dank an Claudia Harth für das ausführliche Interview und das Teilen ihrer Erfahrungen.

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